Die Geächteten

 

Als Hannah in dem weißen Raum erwacht, weiß sie, dass ab nun ihr Leben anders sein wird. Denn ab jetzt ist sie eine „Rote“ – eine verurteilte Verbrecherin. Verurteilt wegen Mord. 30 Tage muss sie in ihrer Zelle aushalten, immer beobachtet von Kameras. Danach ist sie „frei“, doch durch die rote Färbung ihrer Haut gebrandmarkt und ohne Rechte. Auf sich allein gestellt muss sie versuchen zu überleben. Doch auch als Außenseiterin findet sie Freunde, auf die sie sich verlassen kann und die sie bei ihrem Kampf ums Überleben zur Seite stehen.

 

Im Amerika der nahen Zukunft gibt es ein neues System, mit Verbrechern umzugehen. Sie werden nicht mehr eingesperrt, sondern mittels eines Virus, der die Hautfärbe verändert, gekennzeichnet. So steht beispielsweise gelb für Diebstahl und kleinere Vergehen, grün für Brandstiftung oder Überfälle, rot für Mord. Die so Gekennzeichneten, auch „Verchromte“ genannt, haben kaum Rechte; sie dürfen geschlagen, verfolgt, getötet werden. Hannah wurde als Mörderin verurteilt. Schwanger von ihrem verheirateten Geliebten ließ sie ihr Kind abtreiben – um den Mann, den sie liebt zu schützen, denn bei der Geburt hätte sie den Namen des Kindsvaters angeben müssen. So machte sie sich doppelt schuldig, denn in einem zutiefst gläubigen Umfeld war der Ehebruch allein schon eine Schande.

 

Durch Rückblenden erfährt man viel über Hannahs Leben, ihre Gedanken und Gefühle. Gläubig und behütet erzogen, immer mit dem Gedanken, nichts hinterfragen zu dürfen und einmal Ehefrau und Mutter zu sein, war sie fast schon der „Rebell“ der Familie. Als sie nach einem tragischen Unglück Aidan begegnet, war es schnell um sie geschehen.  Lange hat sie sich gegen ihre aufkeimende Liebe gewehrt. Doch die Gefühle gegenüber Aidan waren stärker, obwohl es ihr von Beginn an klar war, dass eine Beziehung keine Chance bekommen kann, der er konnte oder wollte seine Frau nicht verlassen. Die Gründe dafür erfährt man im Laufe der Geschichte ebenfalls. Nach ihrer Freilassung findet sie Unterschlupf im „Zentrum des geraden Weges“, einer kirchlichen Einrichtung für Verbrecherinnen, denn zu ihrer Familie kann sie nicht zurückkehren. In Kayla, verurteilt wegen versuchten Mordes, findet sie schnell eine Vertraute.

 

Hillary Jordans Schreibstil ist sehr angenehm zu lesen. Sie versteht es, mit leisen Tönen Gefühle und Stimmungen zu vermitteln. Hannahs Entwicklung hat sie dadurch sehr gut vorangetrieben. Sie wirkt stellenweise sehr naiv und bei manch einer Entscheidung möchte man sie schütteln. Doch mit ihrem Schicksal wächst sie und wird erwachsener – und schafft es, endlich der Mensch zu werden, der sie sein will. Was mich an ihr ein wenig störte war ihre stellenweise Ich-Bezogenheit. Einerseits sorgt sie sich um Kayla, aber als diese verschwindet, ist sie sicher, dass sie schon gerettet werden wird und kümmert sich erst mal weiter um ihre Probleme.

 

Wenn man den Klappentext liest, erwartet man eine spannende Dystopie. Spannung gibt es, diese steht allerdings nicht im Vordergrund.  Eher regt das Buch zum nachdenken an – denn will man in einer Welt leben, in der alle Verbrecher, egal, was sie getan haben, öffentlich gekennzeichnet sind und praktisch am Pranger stehen? Und in der Religion fanatische Züge annimmt? Wo jeder Schritt überwacht und nachverfolgt werden kann? Die Handlung war relativ geradlinig, aber trotzdem nicht vorhersehbar. Das Ende passt, aber leider sind ein paar Fragen offen geblieben, die ich gerne beantwortet bekommen hätte.

 

Das Cover ist übrigens toll gewählt und ein absoluter Hingucker: Knallrot gehalten, kann man Hannahs Gesicht erahnen, aus dem ihre blauen Augen herausstechen.

 

Fazit: Man muss sich auf das Buch einlassen können, sonst ist man von seinen eigenen Erwartungen enttäuscht. Doch dann erwartet einen eine gute Geschichte, die einen vielleicht nicht dauerhaft fesseln kann, aber trotzdem stimmig und abgerundet ist.

 

Februar 2014

Bastei Lübbe, ISBN: 978-3404168941

Taschenbuch, 416 Seiten

VÖ: November 2013